„Kann es sein, dass du ein Lipödem hast?“

Diese Frage hörte Lisa* aus ihrem Bekanntenkreis. Als sie dann eine Sanitätshausmitarbeiterin auf die Krankheit anspricht, geht Lisa zum Phlebologen.
Die ernüchternde Diagnose: Lipödem Stadium II. Was sich seitdem verändert hat.

 

„Kann es sein, dass du ein Lipödem hast?“, fragte mich meine Freundin eines Abends nach dem gemeinsamen Handballtraining. „Bitte was?“, war meine erste Reaktion – bis mich immer mehr Leute aus meinem Bekanntenkreis darauf angesprochen haben. Meine Physiotherapeutin, Freundinnen, sogar eine Angestellte in einem Sanitätshaus, die mir eigentlich eine Kniebandage verkaufen sollte. Und ab da ging die Reise los.

Richtig informiert habe ich mich, bevor ich beim Phlebologen war, nicht. Dieser machte bei mir einen Allroundcheck und verabschiedete mich aus der Praxis mit der Gewissheit, dass ich unter einem Lipödem Stadium II leide. Mein Freund und ich fuhren nach Hause und ich war erst einmal recht froh, zu wissen, dass etwas bei der Untersuchung herauskam. Die Folgen realisierte ich erst nach und nach. Ich bekam also direkt Lymphdrainagen verschrieben (später dann auch von meinem Hausarzt), wie auch Kompressionsstrumpfhosen.

Schön ist die Diagnose natürlich nicht. Auf der einen Seite zu wissen, dass es sich noch weiter verschlechtern kann, ist ein unglaublich anstrengendes Gefühl – obwohl ich die Hosen regelmäßig (das heißt täglich) trage. Und auf der anderen Seite dann nicht zu wissen, wann der nächste Schub kommt, wann man wieder einmal nicht mehr in seine Hosen passen wird – und das eben nicht nur wegen der Schokolade, dem Burger oder der Spezi.

Trotzdem heißt das für mich nicht, dass ich wieder zu dem grauen Mäuschen werden muss, das ich war, als die Krankheit (wahrscheinlich mit 15 Jahren) ausbrach. Damals verlor ich einiges an Selbstbewusstsein, konnte es aber immer wieder in den Jahren danach mit Erfolg im Sport, Jugendarbeit und meinen Freunden aufbauen. Ich habe nur eine Möglichkeit: Akzeptanz. Und so werde ich meine Strumpfhosen tragen, die die Beine ja sogar noch in eine schönere Form quetschen. Ich werde zur Lymphdrainage gehen und so Wasser verlieren. Ich werde damit leben und trotz allem mein Selbstbewusstsein, das ich mir wirklich sehr lange aufbauen musste, nicht verlieren.

Auch ich saß ein paarmal in Schweiß gebadet auf dem Sofa und bin einfach nicht reingekommen. Natürlich ist man da erst einmal deprimiert. Trotzdem habe ich mir gesagt: Immer wieder probieren und nicht aufgeben.

„Ich fühle mich weiblicher“

Mit dem täglichen Anziehen und Waschen der Kompression komme ich eigentlich gut zurecht. Die Strumpfhosen stören mich kaum. Ich trage sie regelmäßig und kann sie auch innerhalb einer Minute anziehen. Hierzu brauche ich Handschuhe, einen Plan, Kraft und einen eisernen Willen. Auch die Kleiderwahl fällt mir leicht, gerade der Winter ist echt kein Problem. Dunkle Strumpfhose, einen Rock darüber, einen flauschigen, warmen Pulli kombiniert mit einem Schal und dazu (natürlich nur halbhohe wegen der Waden) Stiefel – fertig. Und ja, ich musste zum Rock- und Kleiderträger werden. Man gewöhnt sich aber an alles und ein wenig weiblicher fühle ich mich mittlerweile auch.

Der Sommer hingegen ist warm – sehr warm. Aber auch das ist mit einer kleinen Sprühflasche voller Wasser möglich. Immer wenn es zu warm wird, einmal einsprühen und einem ist kühler als der Freundin mit dem kurzen Kleidchen. In diesem Sommer habe ich mir erstmals eine, wie ich sie gerne nenne „fleischfarbene“ Kompressionsstrumpfhose, bestellt. Nun kann ich auch wieder Flipflops tragen und bin nicht dauerhaft auf geschlossene Schuhe angewiesen.

Trotzdem fällt auch mir das Anziehen manchmal schwer. Wenn man im Hochsommer schon verschwitzt aufsteht oder wenn man nach der Dusche nach dem Training „schnell in die Kompression“ möchte, ist das manchmal einfach nicht möglich. Auch ich saß ein paarmal in Schweiß gebadet auf dem Sofa und bin einfach nicht reingekommen. Natürlich ist man da erst einmal deprimiert. Trotzdem habe ich mir gesagt: Immer wieder probieren und nicht aufgeben. Das ist nicht mein Stil und sicher auch nicht der einer einzigen Dame aus dem Kreise der Lipödempatientinnen, die sich in ihrem Leben sicherlich schon anstrengenderen Aufgaben stellen mussten.

 

Wenn ich auf diese Weise ein paar Menschen aufklären kann und diese höflich und freundlich zu mir sind, ertrage ich die Blicke auch gerne.

„Trägst du einen Taucheranzug?“

Im Alltag komme ich mit der Diagnose eigentlich gut zurecht. Dennoch habe ich auch Tage dabei, an denen mich die Blicke von Fremden verunsichern. Der allgemeine Rat, dass man diese Leute ignorieren soll, gelingt mir nicht immer. Vor allem mit der fleischfarbenen Hose habe ich schon einige verwirrte und bemitleidende Blicke auf mich gezogen. Negative Kommentare kamen bis jetzt zum Glück kaum – bis auf die Frage, ob ich einen Taucheranzug tragen würde, aber das fand ich eher lustig als gemein.

Ich wurde bisher schon öfters auf die Hose angesprochen, eine Dame fragte sogar, ob ich denn ein Lipödem hätte. Im Allgemeinen waren die Reaktionen der Fragenden sehr positiv. Sie wollten einfach nur aus Interesse fragen und verabschiedeten einen dann meistens mit einem leicht bemitleidenden, aber freundlichen Blick. Wenn ich auf diese Weise ein paar Menschen aufklären kann und diese auch höflich und freundlich zu mir sind, ertrage ich die Blicke auch gerne.

Dennoch habe ich Angst, dass ich verfette, um ganz ehrlich zu sein. Mit Sport, allgemeiner Bewegung, ausgewogener Ernährung und Zuversicht versuche ich wenigstens das „normale“ Fett („Schwabbelfett“) zu bekämpfen. So bleibt mir einfach zu hoffen, dass es sich nicht verschlimmert. Kompressionshose wie auch Lymphdrainage sind hierbei sicherlich auch nicht verkehrt!

 

 

*Aufgrund ihres Arbeitsverhältnisses möchte Lisa keine persönlichen Daten von sich preisgeben. Deshalb veröffentlichen wir auch keine Bilder, auf denen sie eindeutig zu erkennen ist.


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